Die Ikone (von griechisch εικών, ikóna - Bild, Abbild; im Gegensatz zu είδωλο, ídolo - Trugbild, Traumbild und είδος, ídos - Urbild, Gestalt, Art) ist das Kultbild der Ostkirchen, besonders der orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus. Ikonen sind kirchlich geweihte Bilder und haben für die Theologie und Spiritualität der Ostkirchen eine sehr große Bedeutung. Der Zweck der Ikonen ist, Ehrfurcht zu erwecken und eine existenzielle Verbindung zwischen dem Betrachter und dem Dargestellten zu sein, indirekt auch zwischen dem Betrachter und Gott. Ikonen werden in der Orthodoxen Kirche weder als Kunstgegenstände noch als Dekoration angesehen.

Auch die Orientalisch-Orthodoxen Kirchen, z.B. die Koptische Kirche oder die Armenische Apostolische Kirche (nicht jedoch die Assyrische Kirche), verehren Ikonen in ihrem Kultus. In koptischen Ikonen sind Einflüsse altägyptischer Kunst zu finden.

Geschichte

Die ältesten erhaltenen Ikonen stammen aus dem 6. Jahrhundert, vor allem aus Griechenland, Russland, Rumänien und Zypern. Die Ikonen sind fest im Glauben verankert als Mittler zwischen Diesseits und Jenseits, ihnen wird eine Wunderwirkung zugeschrieben. Wichtigste Techniken sind im 6. Jahrhundert die Enkaustik, seit dem 7. Jahrhundert die Temperamalerei auf Holz, ferner Mosaiksetzerei, Schnitzerei in Holz und Elfenbein. Die zum Kuss ausgestellten Ikonen wurden häufig an bestimmten Stellen mit verzierten Silberblechen beschlagen und so geschützt. Motive der Ikonenmalerei sind besonders Christusbilder und Heiligenporträts

Form und Darstellung

Ikonen werden als Christusikonen, Marienikonen, (Gottesmutterikonen), Apostelikonen oder Heiligenikonen dargestellt. Nach orthodoxem Glauben sind auch viele Protagonisten des alten Testaments Heilige. Bestimmte Szenen aus der Bibel, dem Leben der Heiligen oder typologische Gruppierungen finden ihre Wiedergabe als Hetoimasia, Deesis, Verklärungs- oder Dreifaltigkeitsikone.

Ikonen haben in der Darstellung gemeinsame Züge, die von westeuropäischen Kunstvorstellungen abweichen und die oft theologisch begründet sind.

Die Motive sind größtenteils relativ fest vorgegeben, es werden existierende Ikonen als Malvorlage verwendet, nicht neue Motive entworfen.

  • Die Figuren sind oft frontal und axial dargestellt, um eine unmittelbare Beziehung zwischen Bild und Betrachter herzustellen.
  • Die Darstellung von Personen ist strikt zweidimensional, die besondere Perspektive zielt auf die Darstellung selbst. Dadurch wird betont, dass die Ikone Abbild der Wirklichkeit, nicht die Wirklichkeit selbst ist.
  • Der Hintergrund ist üblicherweise goldfarben (selten auch silbern), was den Himmel symbolisiert
  • Die Formen sind einfach und klar.
  • Die Farben, die relative Größe der Figuren, ihre Positionen, und die Perspektive des Hintergrunds sind nicht realistisch, sondern haben symbolische Bedeutung. Die Perspektive des Hintergrunds und von Gegenständen im Vordergrund (zum Beispiel Tische, Stühle, Kelche) wird oft gewollt "falsch" konstruiert, sodass der Fluchtpunkt vor dem Bild liegt (umgekehrte Perspektive).
  • Alle Hauptpersonen werden durch Beischriften identifiziert, um sicherzustellen, dass der Bezug auf eine reale Person immer erhalten bleibt und sich die Verehrung der Ikone nicht verselbständigt. Auch sonst finden sich oft Schriftrollen bzw. Bücher mit Texten in den Händen der Heiligen, die, wie in der romanischen und gotischen Kunst auch, in ihrer Funktion mit den Sprechblasen eines Comics vergleichbar sind.
  • Die individuelle schöpferische Ausdrucksweise des Malers ist aus kirchlicher Sicht irrelevant; Ikonenmalerei wird als religiöses Handwerk, nicht als Kunst gesehen. (Oft werden Ikonen von anonymen Künstlern oder in Manufaktur von mehreren Künstlern gemalt, klassischerweise werden sie nicht signiert.)

Ikonen sind heute in der Regel auf grundiertes Holz in Eitempera gemalte Tafelbilder ohne Rahmen. Bis zur mittelbyzantinischen Zeit wurde dagegen meist in Enkaustik gemalt. Es gibt auch Mosaiken, Fresken, geschnitzte Ikonen (Elfenbein, Holz) als Flachreliefs bzw. Emailguss. Vollplastische Statuen und Statuetten dagegen sind in der Ostkirche selten, vor allem bei den frühen Christen, da sie allzu sehr an die heidnischen Religionen erinnerten.

Theologie der Ikonen


Ikonendarstellung der Hl. Jungfrau Maria

Die Ikone dient der Vergegenwärtigung (Repräsentanz) christlicher Wahrheiten.

Im Zuge des byzantinischen Bilderstreits erfolgte durch Johannes von Damaskus und Theodor Studites die theologische Begründung der Ikonendarstellung durch den Gedanken der Inkarnation: Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ermögliche erst die bildliche Darstellung. Das mit der Unsichtbarkeit Gottes in vorchristlicher Zeit begründete biblische Bilderverbot (Exodus 20,4f.) werde gerade nicht verletzt, denn Gott selbst habe es im sichtbaren Christus durchbrochen. Als "Gründungsikone" konnte dabei das Mandylion, das "Nicht-von-Menschenhand-gemachte Christusbild" gelten, dass gleichsam durch den Willen Christi wunderbarerweise entstanden sei. Die Ikonenverehrung in Form von Proskynese, Kuss, Kerzen und Weihrauch richte sich demgemäß nicht auf das Bild, sondern auf die "hinter" dem Bild präsente Wahrheit. Neben Christusbildern dürften auch Heiligenbilder verehrt werden, denn in den Heiligen wirke der Heilige Geist, der selbst Gott sei und daher zurecht so verehrt werde.

Es haben sich zahlreiche Ikonentypologien entwickelt. Die meisten Ikonen werden nach bestimmten Mustern und Vorbildern gemalt. Trotzdem sind die Ikonenmaler frei bei der Ausgestaltung der Details.

Ikonen sind ein wesentlicher Ausdruck der byzantinischen Kunst. Diese Kunst wurde in Griechenland, Bulgarien und besonders in Russland weiter gepflegt. Wichtige Ikonenmalschulen befanden sich in Wladimir, Nowgorod, Twer und Moskau.

Während im 18. und 19. Jahrhundert westliche Einflüsse die Ikonenmalerei veränderten oder sogar verfälschten, besann man sich im 20. Jahrhundert wieder stärker auf die Grundlagen. In Griechenland setzte sich der so genannte neobyzantinische Stil durch, der sich zwei alte Ikonenmalschulen zum Vorbild gemacht hat - die Ikonenmaler der Palaiologen-Zeit und der italo-kretischen Schule.

Wichtige Ikonenmaler in Russland waren u.a. Feofan Grek, Andrej Rubljow, Dionisij.

Weitere Zentren der Ikonenmalerei befinden sich in Georgien, Serbien, Mazedonien, Bulgarien, Armenien und Äthiopien. In Rumänien sind die Fresken der Moldauklöster von hoher Bedeutung.


Die orthodoxe Kirche sieht die lebenden Christen und die verstorbenen Christen als eine einzige spirituelle Gemeinschaft - vor allem bei der Anbetung Gottes. Ikonen sind für die orthodoxe Kirche Fenster in die geistliche Welt - daher auch der meistens goldene Hintergrund, die Zweidimensionalität und die nicht naturalistische Malweise.

In der orthodoxen Kirche gibt es die Ikonostase, eine mit Ikonen geschmückte Holzwand mit drei Türen zwischen den Gläubigen und dem Altar. Der somit abgetrennte Altarraum übernimmt dabei zugleich die Funktion der westlichen Sakristei. In der Mitte hängt (vom Betrachter aus) rechts eine Christus-Ikone, links eine Ikone der Gottesgebärerin (das heißt Maria) mit Kind, dazwischen ist die königliche Türe, durch die der Priester im Evangelienbuch und in der Eucharistie den König der Ehren zur Gemeinde bringt. Während der Eucharistie ist diese Tür offen und der Altar somit sichtbar. Wenn der Priester nicht das Evangelium oder den Kelch der Eucharistie trägt, oder wenn eine andere Person den Altarraum betritt, wird eine der beiden äußeren Türen benutzt.

Ikonen werden verehrt, indem man sich vor ihnen bekreuzigt und sie küsst. Diese Verehrung wird dabei strikt unterschieden von Anbetung, die nur Gott zukommt. Auch die Verehrung bezieht sich nach orthodoxer Lehre auf den Dargestellten, nicht auf die Ikone selbst als einen Gegenstand aus Holz und Farbe.

Die Frage nach der Zulässigkeit von Ikonenverehrung in Ansicht des Bilderverbots der Bibel löste im byzantinischen Reich eine erbitterte bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung aus, den byzantinischen Bilderstreit, in dem der größte Teil der frühchristlichen Ikonen zerstört wurde. Johannes von Damaskus erklärte daraufhin, Gott selbst habe sich in Christus sichtbar und greifbar gemacht, das im Alten Testament ausdrücklich mit der Unsichtbarkeit Gottes begründete Bilderverbot sei damit überwunden, und die Ablehnung der Bilder sei eine Ablehnung der wirklichen und nicht nur scheinbaren Menschwerdung Christi. In diesem Sinne wurde der Bilderstreit schließlich – unter gewissen Auflagen – zugunsten der Bilder entschieden.

Statuen von Heiligen werden dagegen abgelehnt, vor allem da die vorchristlichen Griechen Statuen in ihrer Religion viel verwendet hatten und diese daher automatisch mit Götzen identifiziert wurden.

Die meisten Orthodoxen haben auch private Ikonen zu Hause, oft in einer "Gebetsecke" im Wohnzimmer angeordnet, nach Möglichkeit an der Ostwand. Die jeweils übliche Gestaltung solcher Gebetsecken ist in den verschiedenen orthodoxen Kulturen unterschiedlich.


In Deutschland gibt es zwei große Ikonenmuseen - in Recklinghausen und in Frankfurt a. M.

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