Etrusker

Etruskerin

Die Etrusker (lat. Etrusci, Tusci; griech. Τυρσηνοί, Τυρρηνοί Tyrsenoi, Tyrrhenoi, davon abgeleitet Tyrrhenisches Meer = etruskisches Meer]), die sich selbst Rasenna nannten, waren ein antikes Volk, das im nördlichen Mittelitalien im Raum der heutigen Regionen Toskana, Umbrien und Latium lebte. Die etruskische Kultur ist in diesem Gebiet zwischen 800 und 100 v. Chr. nachweisbar. Die Etrusker gingen nach der Eroberung durch die Römer (300 bis 90 v. Chr.) im Römischen Reich auf.

Mit der Erforschung der etruskischen Geschichte, Sprache und Kultur beschäftigt sich die Etruskologie

Theorien über die Herkunft

Die Frage nach der Herkunft der Etrusker ist berechtigt, erweckt jedoch einen falschen Eindruck. Jene Kultur, die wir die etruskische nennen, hat sich nämlich erst auf dem Boden Etruriens entwickelt. Präziser wäre deshalb die Fragestellung: Woher kam die etruskische Sprache, die ein wesentlicher Baustein der etruskischen Kultur wurde? Schon im Altertum waren dazu zwei verschiedene Hypothesen bekannt.


Einwanderungstheorie

Der Einwanderungstheorie nach stammen die Etrusker aus dem kleinasiatischen Lydien und sind nach dem Jahr 1000 v. Chr. in das Gebiet der heutigen Toskana eingewandert. Für dieses Szenario sprechen Anklänge des Etruskischen ans Lydische und an eine auf Lemnos gefundene, dem Früh-Etruskischen sprachlich nahe stehende Inschrift in lemnischer Sprache. Auch die künstlerische Entwicklung im frühen ersten Jahrtausend im orientalisierenden Stil zeigt erstaunliche Parallelen zum lydischen Raum. Diese Auffassung wurde schon in der Antike vertreten, beispielsweise von Herodot.


Autochthone Theorie

Die autochthone Theorie demgegenüber nimmt an, dass die etruskische Kultur sich aus den in Mittelitalien ansässigen Stämmen entwickelt hat. Die etruskische Sprache sei eine vor-indoeuropäische Sprache, welche durch die recht späte Einwanderung der indoeuropäischen Stämme der Italiker innerhalb der italienischen Halbinsel isoliert worden sei. Die kulturelle und künstlerische Blüte der Etrusker erkläre sich durch die Einbindung der Toskana in den erblühenden Handel im Mittelmeerraum durch Phönizier und Griechen im frühen 8. Jahrhundert v. Chr.. Die Nutzung der reichen Erzvorkommen habe die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung beschleunigt. Diese Theorie wird durch den nahtlosen Übergang der Villanovakultur in die etruskische Kultur vor allem im Norden z. B. in Felsina (heute Bologna) unterstützt. Um die Zeitenwende vertrat Dionysios von Halikarnassos diese Theorie.


Synthese

Die heutige Etruskologie fragt nicht mehr nach der Herkunft der Etrusker, sondern nach deren Entstehung als Volk. Dabei geht man von einer alt-mediterranen Volksschicht aus, die bis ca. 1000 v. Chr. eine sesshafte Bauernkultur entwickelte und in die fremde Volkselemente sowohl aus dem Osten (mykenische und phönizische Seefahrer) als auch aus dem Norden (indoeuropäische Italiker) eindrangen. Auf diese Weise entstand die Villanovakultur. Diese Bevölkerung wurde durch eine sehr dünne Schicht von Einwanderern aus Kleinasien (Tyrrhener) überlagert. Aus der Vermischung mit der lokalen Bevölkerung entwickelte sich das etruskische Volk.

Geschichte

Die ersten Grabfunde stammen aus dem 9. Jh. vor Chr. Es sind steinerne Urnenbehälter in sogenannten Pozzogräbern (kleinen Erdeintiefungen), die belegen, dass die Proto-Etrusker ursprünglich die Feuerbestattung pflegten. Ab dem 8. Jh. entstehen sogenannte Fossagräber, Mulden, in die der intakte Körper gelegt wurde und die mit einer Platte verschlossen wurden. Um 750 v. Chr. entwickelte sich die etruskische Seeherrschaft über das Tyrrhenische Meer. Dabei ging die Entwicklung vor allem von den Städten im südlichen Etrurien aus. Um 600 v. Chr. waren die Etrusker auf der Höhe ihrer Macht angelangt. Sie beherrschten, zusammen mit den verbündeten Karthagern, das westliche Mittelmeer und expandierten sowohl nach Süden bis in die Gegend des heutigen Kampanien (Salerno) wie nach Norden in die Poebene (Bologna, Adria).

In Küstennähe und im Süden Etruriens waren die wichtigsten Zentren der etruskischen Kultur Pupluna (Populonia) mit der Verhüttung des Eisenerzes der Insel Elba; Tarquinia mit der Bronzeverarbeitung; Caere (Cerveteri), das die Kupfer-, Eisen- und Bleigruben der Tolfa-Berge ausnutzte; Vulci und schließlich Veji im südlichen Landesinneren.

Im Norden und im Landesinneren entwickelten sich Cortona, Arezzo, Perugia, Chiusi und Volterra zu wichtigen Zentren. Dabei waren hier vor allem die Metallverarbeitung, die Keramikproduktion und wohl auch die Produktion landwirtschaftlicher Produkte vorherrschend. In kultureller Hinsicht gab es, trotz verschiedener militärischer Konflikte, auch einen fruchtbaren Austausch mit der griechischen Welt.

Die Städte waren in einem losen Städtebund (Zwölfstädtebund) zusammengeschlossen, der vor allem religiösen, weniger aber politischen Charakter hatte. Religiöses Zentrum war das bei Orvieto oder Bolsena gelegene Fanum Voltumnae. Einen etruskischen Zentralstaat gab es nicht. Die Etrusker beherrschten auch Rom (der Name Roma ist wohl von einem etruskischen Geschlecht, den Rumlna, abgeleitet). Wohl nicht im Jahre 510 v. Chr. (wie die Sage berichtet), sondern erst einige Zeit später begann mit der Vertreibung der Tarquinier aus Rom der langsame, aber stetige Niedergang der Etrusker.

Die Niederlage gegen eine griechische Flotte bei Kyme 474 v. Chr. schwächte die Seeherrschaft Etruriens nachhaltig. Um 396 v. Chr. wurde Veji von Rom erobert und zerstört. Wenig später überrannten die Gallier das etruskische Gebiet. Bis 265 v. Chr. war das südliche Etrurien Zug um Zug von Rom erobert worden. Die Städte im Norden (Arezzo, Volterra, Perugia, Cortona) schlossen Bündnisverträge mit Rom ab und erreichten damit eine weniger dramatisch verlaufende Assimilation ins Römische Reich. Sie wurde auch formal im Jahr 90 v. Chr. mit der Gewährung der uneingeschränkten römischen Bürgerrechte durch Rom abgeschlossen.

Versinnbildlicht wird das Aufgehen der etruskischen Kultur im Römischen Reich etwa durch die Person des Maecenas, der aus einer altadligen etruskischen Familie stammte und ein Vertrauter des ersten römischen Kaisers Augustus war.


Zeitlinie

  • um 800 v. Chr.: Anfänge der etruskischen Kultur und Städtebildung in Etrurien
  • um 750 v. Chr.: Aufstieg als Seemacht
  • um 700 v. Chr.: Tumulus-Gräber und Grabmalerei; reiche Grabbeigaben
  • um 600 v. Chr.: Bronzekunst im orientalisierenden Stil, Produktion von Bucchero-Keramik
  • 550 v. Chr.: Etrurisch-karthagische Koalition gegen Griechenland
  • 540 v. Chr.: Seesieg bei Alalia
  • 524 v. Chr.: Niederlage bei Kyme gegen die Griechen
  • um 500 v. Chr.: Blüte des etruskischen Capua
  • um 510 v. Chr.: Sturz der etruskischen Königsherrschaft des Tarquinius Superbus in Rom
  • 482 v. Chr.: Beginn der Auseinandersetzung zw. Veji und Rom
  • 474 v. Chr.: Niederlage der Etrusker gegen Syrakus in der Schlacht von Cumae (auch Kyme)
  • 430 v. Chr.: Niederlage gegen die Samniten in Kampanien
  • 406 v. Chr.: Belagerung von Veji durch Rom
  • 396 v. Chr.: Zerstörung von Veji durch Rom
  • ab 396 v. Chr.: Einfall der Kelten in die Po-Ebene
  • 384 v. Chr.: Plünderung von Pyrgi (Santa Severa) durch Dionysios I. von Syrakus
  • 358 v. Chr.: Bündnis von Tarquinia und Cerveteri gegen Rom
  • 310 v. Chr.: Niederlage gegen die Römer am Vadimone-See
  • 300 v. Chr.: Pyrgi wird römische Kolonie
  • 280 v. Chr.: Niederlage von Vulci gegen Rom
  • 264 v. Chr.: Niederlage von Volsinii gegen Rom
  • 260 v. Chr.: Unterwerfung durch die Gallier in der Po-Ebene
  • 205 v. Chr.: Unterstützung Scipios im Feldzug gegen Hannibal
  • 183 v. Chr.: Gründung der römischen Kolonie in Saturnia
  • 90 v. Chr.: Gewährung des römischen Bürgerrechts
  • 82 v. Chr.: Repressionen Sullas in Etrurien
  • 79 v. Chr.: Kapitulation von Volterra
  • ab 40 v. Chr.: Endgültige Romanisierung Etruriens

Kultur

Die Epochen der etruskischen Kultur entwickeln sich parallel zu denen Griechenlands und zeugen von intensiven Kontakten im Mittelmeerraum.

Etruskischer Hoplit

Orientalisierende Kunst (800 bis 650 v. Chr.): Parallelen sind sowohl zum Nahen Osten (Anatolien) wie zu Karthago festzustellen.

Archaische etruskische Kunst (650 bis 500 v. Chr.): starker Einfluss der ionischen und korinthischen Kultur. Eine Reihe griechischer Künstler und Handwerker sind in Etrurien nachweisbar.

Blütezeit (500 bis 300 v. Chr.): Der griechische Einfluss ist sehr groß, sowohl in klassischer wie in hellenistischer Zeit. Die Kunst erlebt ihre Blütephase trotz des langsamen wirtschaftlichen und politischen Niedergangs.

Spätzeit (300 bis 100 v. Chr.): Man kann von einem Dialekt des Hellenismus sprechen. Der etruskische Charakter geht im Hellenismus auf.

Der größte Teil der Kunstgegenstände wurde in den etruskischen Nekropolen (Cerveteri, Tarquinia, Populonia, Orvieto, Vetulonia, Norchia) ausgegraben. Bauliche Hinterlassenschaften wurden nur selten gefunden, meist handelt es sich lediglich um die Fundamente größerer Komplexe. Die zahlreichst vertretende Gruppe bilden dabei die etruskischen Tempel, die seit ungefähr 140 Jahren systematisch ergraben werden. Erst in letzter Zeit sind auch Reste der Profanarchitektur (Murlo bei Siena, Acquarossa bei Viterbo, Talamone) wissenschaftlich ausgegraben und ausgewertet worden.

Die wichtigsten Museen für etruskische Kunstgegenstände sind das Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia in Rom und das Archäologische Museum in Florenz. Daneben sind die Sammlungen in Tarquinia, Chiusi, Orvieto, Arezzo, Volterra und Cortona wichtig.


Religion

Siehe auch den Hauptartikel Etruskische Religion.

Auch die Religion der Etrusker ist stark von der griechischen Überlieferung beeinflusst. Obwohl es sich – im Gegensatz zu allen anderen vorchristlichen Religionen des Abendlandes – um eine Offenbarungsreligion handelt, werden die Gottheiten durch griechischen Einfluss anthropomorphisiert und lehnen sich, vor allem in der Spätzeit, stark an den griechischen Olymp an.

Im Altertum sehr berühmt war die Disciplina etrusca, die Lehre von der Interpretation göttlicher Signale und vom korrekten Umgang mit der Götterwelt. Leberschau (Haruspizium) und Interpretation des Vogelfluges und der Blitze sind ebenso Teil dieser Lehre wie das korrekte Vorgehen bei der Landvermessung. Diese Überlieferungen wurden von der etruskischen Priesterschaft streng gehütet.

Voltumna gilt als oberster Gott der Etrusker.


Schrift und Sprache

Siehe auch die Hauptartikel Etruskische Schrift und Etruskische Sprache.

Nur wenige längere Schriftstücke in etruskischer Sprache und Schrift sind erhalten. Die vielen Grabinschriften sind sehr kurz und geben keinen wirklichen Einblick in die Sprache. Von den längeren Schriftstücken ist vor allem die Agramer Mumienbinde (schon seit dem 19. Jhdt. bekannt), die Tontafel von Capua und die Goldbleche von Pyrgi zu nennen.

Die etruskische Schrift hat sich aus einem frühen griechischen Alphabet entwickelt, wird von rechts nach links geschrieben und kann problemlos abgelesen werden. Die Sprache ist auf Grund des spärlichen Materials nicht vollständig entschlüsselt, die vorhandenen Texte können jedoch, mit einigen Unschärfen, übersetzt werden. Ein Vokabular von etwa 200 Wörtern ist inzwischen bekannt.

Sicherlich handelt es sich um keine indogermanische Sprache. Eine Ähnlichkeit mit alten kleinasiatischen Sprachen kann festgestellt werden, ein schlüssiger Nachweis fehlt jedoch, um das Etruskische in eine Sprachgruppe einordnen zu können.


Literatur

  • Luciana Aigner-Foresti: Die Etrusker und das frühe Rom. Darmstadt 2003. (Wissenschaftliche Einführung als Taschenbuch.)
  • Bernard Andreae, Heinz Spielmann (Hrsg.): Die Etrusker. München 2004. (Katalog zur Doppelausstellung in Hamburg)
  • Giovannangelo Camporeale: Die Etrusker. Geschichte und Kultur. Düsseldorf/Zürich 2003.
  • Sybille Haynes: Kulturgeschichte der Etrusker. Mainz 2005.
  • Damien Erwan Perrotin : Paroles étrusques , liens entre l'étrusque et l'indo-européen ancien , Paris [u.a.] , L' Harmattan , 1999 , ISBN 2-7384-7746-1
  • Ambros Pfiffig: Einführung in die Etruskologie. 4. Auflage. Darmstadt 1991. (Einführung in die Archäologie.)
  • Friedhelm Prayon: Die Etrusker. München 1996.
  • Ders.: Die Etrusker. Jenseitsvorstellungen und Ahnenkult. Verlag Ph. von Zabern, Zaberns Bildbände zur Archäologie, Sonderbände der Antiken Welt. Mainz 2006. ISBN -10: 3-8053-3619-5. ISBN -13: 978-3-8053-3619-2.
  • Dorothea Steiner: Jenseitsreise und Unterwelt bei den Etruskern. Untersuchung zur Ikonographie und Bedeutung. Herbert Utz Verlag, München 2004, ISBN 3-8316-0404-5.

Weblinks

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