Titus

Titus-Büste im Louvre

Titus (* 30. Dezember 39 in Rom; † 13. September 81 in Aquae Cutiliae) war als Nachfolger seines Vaters Vespasian römischer Kaiser vom 24. Juni 79 bis zu seinem Tod. Sein vollständiger Geburtsname war – wie bei seinem Vater – Titus Flavius Vespasianus; als Kaiser führte er den Namen Imperator Titus Caesar divi Vespasiani filius Vespasianus Augustus.

Titus wurde am Hof des Kaisers Claudius gemeinsam mit dessen Sohn Britannicus erzogen. Im Jüdischen Krieg leitete er die Belagerung Jerusalems, als Caesar unterstützte er die Regierungsarbeit Vespasians. Während seiner Herrschaft brach im Jahr 79 der Vesuv aus. Titus leitete die Hilfsmaßnahmen nach dieser Katastrophe, ebenso im darauf folgenden Jahr nach einem Brand der Stadt Rom. Er vollendete das Kolosseum und wurde bereits von Zeitgenossen wegen seiner Milde (clementia) gerühmt.

Leben

Kindheit und Jugend

Familie

Titus wurde am 30. Dezember 39 in Rom als ältester Sohn des Vespasian und der Flavia Domitilla geboren. Titus hatte noch eine Schwester und einen jüngeren Bruder, Domitian, seinen späteren Nachfolger als Kaiser. Die Familie seines Vaters stammte aus dem Sabinerland und war zunächst wenig bedeutend. Dies änderte sich unter Kaiser Claudius, der neben Freigelassenen auch den Ritterstand begünstigte. Unter ihm durchlief Vespasian in schneller Folge die Ämter des Cursus honorum und legte so den Grundstein für den späteren Aufstieg der Flavier zur Kaiserdynastie. Titus Flavius Sabinus, sein älterer Bruder, erreichte bald das Amt des Stadtpräfekten von Rom und sollte in dieser Funktion später in der Hauptstadt gemeinsam mit dem jungen Domitian die Machtübernahme Vespasians vorbereiten. Als Triebfeder des sozialen Aufstiegs der Flavier gilt Vespasia Polla, die Großmutter des Titus, die ihre Söhne Sabinus und Vespasian drängte, die senatorische Ämterlaufbahn einzuschlagen.

Erziehung

Vespasians Aufstieg ermöglichte Titus eine Erziehung am Hof des Kaisers gemeinsam mit dessen eigenem Sohn Britannicus. Die beiden wurden von Sosibius unterrichtet.[1] Im Jahre 51 entging Titus nur knapp einem Giftanschlag, der auf seinen Lehrer verübt wurde. Mit Britannicus verband ihn eine enge Freundschaft, bis dieser 55 überraschend starb. Möglicherweise hatte der neue Kaiser Nero einen potenziellen Thronrivalen beseitigen wollen. Titus selbst schadete der Tod seines Freundes keineswegs; dank seiner fundierten Kenntnis griechischer und römischer Autoren, seiner Redebegabung und nicht zuletzt der hohen Stellung seines Vaters, der mittlerweile das Konsulat erreicht hatte, standen ihm in Rom alle Türen offen.

Wenn man der idealisierenden Überlieferung glauben darf, war Titus ein regelrechtes Universalgenie, sowohl körperlich als auch geistig außergewöhnlich begabt und zumindest als junger Mann auch allseits beliebt. Besonders sein gutes Verhältnis zur Armee legt einen Vergleich mit Germanicus nahe, Titus war jedoch diplomatischer und disziplinierter als dieser. Zudem wird berichtet, dass er in allen Sportarten erfolgreich war und als Redner ebenso fähig wie als Dichter und als Sänger. Bewundert wurde auch, dass er aus dem Stegreif dichten, fremde Handschriften täuschend echt nachahmen und außergewöhnlich schnell stenografieren konnte.


Aufstieg unter Nero und Vespasian

Der junge Senator

Nach ersten politischen Gehversuchen in einigen niedrigeren Ämtern, von denen aufgrund der Quellenlage nichts Genaueres bekannt ist, diente Titus von 61 an als Militärtribun in Obergermanien und Britannien. In diesen Provinzen hatte sein Vater zwanzig Jahre zuvor als Legat römische Truppen kommandiert. Titus selbst wurde dort laut Sueton[2] durch zahlreiche Statuen geehrt. In Britannien teilte er ein Quartier mit dem älteren Plinius. Während dieser Zeit soll Titus Vespasian einmal das Leben gerettet haben. Dies berichtet zumindest Cassius Dio.[3] Diese Nachricht scheint jedoch nicht auf Fakten, sondern auf der bei späteren Autoren immer deutlicher hervortretenden Tendenz zur Idealisierung des Titus zu beruhen.

Titus kehrte 64 aus Britannien nach Rom zurück. Dort arbeitete er als Anwalt und übernahm die üblichen Ämter eines jungen Senators. Noch in diesem Jahr, in das auch der mit den ersten Christen in Verbindung gebrachte Brand Roms fiel, heiratete er Arrecina Tertulla. Über die Herkunft und die Familie seiner ersten Gattin ist nur wenig bekannt. Tertulla starb bereits wenige Monate nach der Hochzeit, vielleicht nach der Geburt der Tochter Julia. Julia könnte jedoch auch die Tochter der zweiten Ehefrau des Titus sein, der Marcia Furnilla, die aus der reichen Familie eines früheren Prokonsuls von Africa stammte. Die flavische Familie konnte jedoch kein Kapital aus dieser auf den ersten Blick politisch äußerst vorteilhaften Verbindung schlagen. Die Familie der Marcia fiel bei Kaiser Nero in Ungnade, die Ehe wurde bald darauf geschieden.

Der Jüdische Krieg

Im Jahr 66 beauftragte Nero Vespasian mit einem Feldzug im von Unruhen erschütterten Judäa (heute Israel, Palästina und Teile Syriens). Nero hielt Vespasian, der durch wenig Interesse an des Kaisers künstlerischen Darbietungen aufgefallen war, für den am wenigsten gefährlichen der Senatoren, die für dieses wichtige, mit dem Kommando über ein großes Heer verbundene Amt in Frage kamen. Der sechsundzwanzigjährige Titus, dem nach zwei nach kurzer Zeit beendeten Ehen und wiederholten Problemen mit Nero der Abschied von den Freuden der Hauptstadt nicht schwerfiel, begleitete seinen Vater.

Die Aufstände in Jerusalem und Caesarea, denen auch römische Bürger und einige Legionäre zum Opfer gefallen waren, veranlassten Nero, Vespasian drei Legionen zur Verfügung zu stellen. Titus befehligte als Legat die legio XV Apollinaris. Insgesamt verfügte Vespasian inklusive Hilfstruppen über ein Heer von etwa 60.000 Mann. Die Größe des Heeres und die wichtige Position des noch recht unerfahrenen Titus, der bisher noch nicht einmal Prätor gewesen war, zeigen das Vertrauen, das der Kaiser immer noch in die beiden Flavier setzte.

Flavius Josephus, ein romanisierter Jude und der Chronist des jüdischen Krieges, stellte die Erfolge des Titus in Judäa sehr wohlwollend dar. Tatsächlich erfüllte Titus das in ihn gesetzte Vertrauen in vollem Maße. Er erledigte die ihm gestellten Aufgaben mit großem Sachverstand und zeigte sich als fähiger Anführer. Dass seine Erfolge in den Quellen etwas überzeichnet werden, liegt wohl daran, dass er als Sohn des Oberkommandierenden und späteren Kaisers Vespasian mehr Aufmerksamkeit erregte als ein gewöhnlicher Legionslegat. Insgesamt war Titus zwar durchaus erfolgreich, allerdings leistete er damit keineswegs Außergewöhnliches, was man nach der Lektüre des Jüdischen Krieges des Josephus vermuten könnte.

Nach Neros Tod 68 ging Vespasian mit einer ihm vorher nicht zugetrauten Zielstrebigkeit daran, den Kaiserthron für seine Familie zu sichern. Titus hielt sich während dieser Zeit noch im Hintergrund. Durch Verhandlungen mit dem syrischen Präfekten Gaius Licinius Mucianus hielt er seinem Vater den Rücken frei, der zudem bereits im Juli 69 auf die Unterstützung der Legionen Syriens, Ägyptens und Judäas bauen konnte. Im Herbst sprachen sich auch die Truppen an der Donau für ihn aus und am 21. Dezember, einen Tag nach dem Tod des Kurzzeitkaisers Vitellius, legte der römische Senat alle Macht in die Hände Vespasians. Titus war damit vom Sohn eines wenig bedeutenden Italikers zum Thronfolger des römischen Kaisers aufgestiegen.

Die Belagerung von Jerusalem

Während sein Vater von Rom aus das Reich nach den Wirren des Vierkaiserjahres wieder ordnete, blieb Titus im Osten. Mit vier Legionen unter seinem Kommando begann er im Frühling 70 die Belagerung Jerusalems, das sich bis zu diesem Zeitpunkt allen Eroberungsversuchen widersetzt hatte. In weniger als vier Wochen durchbrachen die römischen Truppen mit Hilfe aufwendiger Belagerungstechnik die Mauer der Neustadt. Die innere Stadt und der Tempel hielten bis Anfang August der Belagerung stand. Nachdem die Soldaten des Titus den äußeren Hof des Tempels erreicht hatten, brannten sie das Bauwerk selbst nieder und töteten alle, die nicht schon vorher aus Nahrungsmangel oder durch Selbstmord ihr Leben beendet hatten. Der jüdische Tempel wurde irreparabel zerstört und bis heute nicht wieder aufgebaut. Lediglich die Klagemauer blieb erhalten.

Da stürzten sich die einen freiwillig in die Schwerter der Römer, die andern erschlugen sich gegenseitig, andere brachten sich selbst um, wieder andere sprangen in die Flammen. Und es schien für alle nicht so sehr Verderben, sondern eher Sieg und Heil und Gnade zu bedeuten, mit dem Tempel zusammen unterzugehen.

Cassius Dio 65, 6, 3[4]

Die Belagerung Jerusalems hatte gezeigt, dass Titus ein zwar wenig innovativer, aber dennoch sehr fähiger Heerführer war. Er verwendete erfolgreich das gesamte Arsenal der römischen Belagerungswaffen von Türmen über Katapulte und Onager bis hin zu Rammböcken. Trotz seiner jugendlichen Ungeduld gewann Titus dank seines energischen persönlichen Einsatzes die Loyalität seiner Legionäre. Jerusalem war überwunden, der Feldzug in Judäa erfolgreich beendet. Die in der Bergfestung Masada noch bis 74 ausharrenden Aufständischen waren nur von geringer Bedeutung, die von ihnen ausgehende Gefahr steht in keinem Verhältnis zu ihrem Nachruhm, der nicht zuletzt durch die plastische Schilderung der Eroberung durch Flavius Josephus begründet wurde.

Als die Römer auf die große Zahl der Ermordeten trafen, freuten sie sich nicht wie über den Tod von Feinden, vielmehr bewunderten sie den Edelmut des Entschlusses und die Todesverachtung, die sich in so vielen unbeugsam zur Tat umgesetzt hatte.

Flavius Josephus, Bellum Judaicum 7, 9[5]

Politische Rolle unter Vespasian

Titus verbrachte den Winter 70/71 mit Gladiatorenspielen und der Bestrafung überlebender Gefangener und stützte mit dieser öffentlichen Präsenz die Macht des flavischen Kaisertums im Osten. Im Juni 71 kehrte er nach Rom zurück. Gemeinsam mit seinem Vater feierte er einen aufwendigen Triumph über Judäa. Vespasian begann, Titus systematisch als seinen Nachfolger aufzubauen. Während der folgenden Jahre teilte er fast jede Ehrung mit seinem Sohn, der bereits vor seinem Herrschaftsantritt so oft zum Konsul gewählt worden war, wie vor ihm nur Augustus und der Heeresreformer Marius. Zudem trug er schon seit 69 den Titel eines Caesaren. Neben sieben Jahreskonsulaten war Titus neben seinem Vater Zensor und kommandierte ab 72 als Prätorianerpräfekt dessen 4.500 Mann umfassende Leibgarde. Diese Personalie war ein kluger Schachzug Vespasians, da die Prätorianerpräfekten seit Sejan, der dieses Amt unter Tiberius innehatte, immer wieder versucht hatten, gegen den Kaiser Politik zu machen oder diesen sogar zu stürzen.

Vespasian setzte Titus auch bei der Aburteilung von Verbrechern und Aufrührern ein, wobei er offenbar so erbarmungslos vorging, dass er den Ruf eines „Schlächters“ erwarb. Sueton berichtet, dass er nicht nur Prozesse führte, sondern auch durch Volkes Stimme im Theater verurteilen ließ.[6] Sein schlechter Ruf aus dieser Zeit wurde jedoch weitgehend durch die Milde überdeckt, die ihm als Kaiser zugeschrieben wurde. Darüber hinaus zeigte sich Titus als fähiger Verwalter, der Senatssitzungen beiwohnte, den Rat erfahrener Politiker schätzte und mit allen wichtigen Fraktionen und Gruppierungen gut auskam. Einige betrachteten ihn sogar als Mitregenten seines Vaters, dem er nach dessen überraschendem Tod am 24. Juni 79 als Kaiser nachfolgte. Seine vollständige Titulatur lautete jetzt Imperator Titus Caesar divi Vespasiani filius Vespasianus Augustus.

Titus als Kaiser

Der gute Kaiser

Da er als Prätorianerpräfekt rücksichtslos gegen politische Gegner durchgegriffen hatte und weil Gerüchte über sexuelle Ausschweifungen nicht nur mit Berenike kursierten, befürchteten viele, Titus könnte ein zweiter Nero werden. Diese Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht, im Gegenteil, der neue Kaiser gab sich betont milde und großmütig. Ebenso wie sein Vater war er um ein gutes Verhältnis zum Senat und zum römischen Volk bemüht. Sueton rühmte dies denn auch in den höchsten Tönen: Titus habe sich zum „Liebling und zur Freude der Menschheit“ gewandelt[7], obwohl seine Regierungszeit von zwei Katastrophen überschattet wurde, dem Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 und einer verheerenden Seuche, die kurz danach ausbrach. Beide Male aber bewies Titus die nötige Tatkraft und leitete umgehend Hilfsmaßnahmen ein, was einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Nicht zuletzt deshalb verlief der Machtwechsel vom Vater zum Sohn weitgehend reibungslos.

Die Plötzlichkeit dieses Charakterwandels überraschte viele Zeitgenossen. Sie ließen sich jedoch bald von der Großzügigkeit und dem persönlichen Einsatz des Titus überzeugen. Die Gründe seines Sinneswandels sind aus heutiger Sicht schwierig zu beurteilen. Es ist möglich, dass in diesem Fall die antiken Quellen sowohl die Grausamkeit vor dem Amtsantritt als Kaiser als auch die Milde danach überzeichnen. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein hochintelligenter, rhetorisch fähiger Mann wie Titus auf besonnene Weise gemäß seiner neuen Position die soziale Rolle des grausamen Verfolgers aller Feinde der Dynastie durch die Rolle des wohltätigen Landesvaters ersetzte.

Keineswegs ins Reich der Spekulation gehört dagegen sein Versuch, die Legitimität des flavischen Herrscherhauses durch die Anknüpfung an das julisch-claudische zu untermauern. Unter anderem prägte er Gedenkmünzen für beliebte Vorgänger im Kaiseramt wie Augustus und Claudius, die zur julisch-claudischen Dynastie gehörten. Daneben begründete er aber auch den Herrscherkult für seinen verstorbenen Vater Vespasian, dem er einen Tempel errichten ließ. Nach dem Tod des Titus wurde dieser Familientempel von Domitian vollendet. Zur Legitimitätspolitik der Flavier gehörten auch wirtschaftliche Maßnahmen, für die Titus auf den von Vespasian im Sinne des Pecunia non olet („Geld stinkt nicht“) stark vergrößerten Staatsschatz zurückgreifen konnte. Insbesondere finanzierte er zahlreiche Baumaßnahmen.

Bautätigkeit

Im Rahmen dieser Bautätigkeit vollendete Titus das von seinem Vater begonnene Flavische Amphitheater, das wegen einer ursprünglich dort stehenden Kolossalstatue Neros als Kolosseum bezeichnet wird. Eingeweiht wurde es mit vom Kaiser bezahlten hunderttägigen Spielen. Neben Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen und nachgestellten Infanteriegefechten wurden auch Seeschlachten gezeigt. Eigens dafür konnte die Arena des Kolosseums mit Wasser geflutet werden. Außerdem verbesserte Titus die stadtrömische Wasserversorgung durch den Ausbau der aquae Marcia, Curtia und Caerulae und ließ südöstlich des neuen Amphitheaters Thermen errichten. Die Errichtung von solchen Bädern gehörte in der Folgezeit sozusagen zum Pflichtprogramm eines römischen Kaisers. Auf dem höchsten Punkt der Via Sacra am östlichen Rand des Forum Romanum wurde ein Triumphbogen errichtet, der an den Triumphzug erinnert, den Titus für die Niederschlagung des jüdischen Aufstands und die Eroberung Jerusalems feierte. Er trägt deshalb den Namen Titusbogen.

Daneben verbesserte Titus wie Vespasian vor ihm die Infrastruktur in Italien und den Provinzen. Vor allem forcierte er den Straßenbau. Große Summen flossen aber auch in den Wiederaufbau der vom Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79 zerstörten Städte in Kampanien. Titus konnte die Nöte der von dieser Naturkatastrophe betroffenen Menschen recht gut nachvollziehen, da Plinius der Ältere, sein Freund aus Armeezeiten, ihr ebenfalls zum Opfer fiel. An Ort und Stelle leitete der Kaiser die Hilfsmaßnahmen, musste jedoch bald wieder in die Hauptstadt zurückkehren. Diese wurde 80 von einem dreitägigen Großfeuer heimgesucht. Weite Teile des Kapitols und des Marsfeldes wurden dabei zerstört, zudem brach in Rom eine Seuche aus. Titus finanzierte auch hier den Wiederaufbau weitgehend aus eigener Tasche. Neben anderen betont auch Cassius Dio[8] die finanzielle Großzügigkeit des Kaisers, die sich insbesondere in den genannten Baumaßnahmen zeigte.

Administrative Maßnahmen

Die Kürze der Regierungszeit des Titus macht es schwierig, seine Prioritäten auf anderen Politikfeldern deutlich zu erkennen. Im Großen und Ganzen scheint er die Politik seines Vaters fortgeführt zu haben. Außer in den von beiden errichteten Großbauten zeigt sich diese Kontinuität in den Maßnahmen zur Verstärkung und Sicherung der Reichsgrenzen und der Fortführung der Offensive in Britannien. Domitian brach diese Offensive später ab und bündelte die römischen Kräfte in Germanien. Ob er dabei auf Pläne seines Vorgängers zurückgreifen konnte, bleibt unklar. Die Quellenlage, die bei beiden Brüdern durch persönliche Wertungen der antiken Autoren beeinträchtigt ist, lässt hier kein abschließendes Urteil zu.

Titus umgab sich als Kaiser wie schon in Judäa mit fähigen Beratern und konnte sich mit deren Hilfe in der Öffentlichkeit noch deutlicher als weiser, auf sozialen Ausgleich bedachter Herrscher zeigen. Seine Gesetzgebung beschränkt sich so auch weitgehend auf populäre soziale Wohltaten, von denen neben der Armee auch die ärmeren Römer und Provinzbewohner profitierten. So regelte Titus Landbesitz, Hochzeit und Testamentsfreiheit in ihrem Sinne neu. In den Provinzen, die er nach seinem Amtsantritt nicht mehr besuchen konnte, manifestierte sich seine Politik vor allem im verstärkten Straßenbau und der Grenzsicherung entlang von Donau und Euphrat. Möglicherweise hängt die relative Ruhe, die in den nächsten Jahren an diesen Grenzen herrschte, auch mit diesen Maßnahmen des Titus zusammen.

Titus und Berenike

Mögliche Heirat

Seit Ende der 60er Jahre weilte Berenike, die Schwester Herodes Agrippas II. und Urenkelin Herodes des Großen, an Titus’ Seite. Reich, mächtig und mit der politischen Lage im Osten des Reiches vertraut, hätte die einige Jahre ältere Berenike eine vorzügliche Ehefrau für Titus abgegeben. Auch der immer nach neuen Geldquellen suchende Vespasian, den sie während des Vierkaiserjahres großzügig finanziell unterstützt hatte, hätte sie wohl gerne zur Schwiegertochter gehabt. Titus und Berenike nahmen aber von einer Heirat Abstand, als ihnen die Parallelen zu der in einer Katastrophe endenden Partnerschaft von Kleopatra VII. und Mark Anton hundert Jahre zuvor bewusst wurden. Eine Ehe zwischen einer östlichen Königin und einem römischen Feldherrn bedrohte in den Augen der Römer die politische Stabilität und war deshalb ein Ding der Unmöglichkeit für einen Kaisersohn wie Titus. Er blieb Berenike jedoch ein Leben lang verbunden und lud sie 75 mit ihrem Bruder nach Rom ein.

Dort nahm er sie gleich in den kaiserlichen Palast auf und lebte offenbar zunächst auch mit ihr zusammen. Angeblich soll er sie leidenschaftlich geliebt und ihr sogar die Ehe versprochen haben. Gesichert ist, dass Berenike sich erfolgreich für ihre nach dem von ihrem Lebensgefährten und dessen Vater geführten Jüdischen Krieg darniederliegende Heimat einsetzte und in Rom eine große gesellschaftliche Rolle spielte. Einen Senator, der Berenike verführen wollte, ließ Titus noch vor seinem Regierungsantritt hinrichten. Quintilian, zu dieser Zeit ein bedeutender Anwalt, der erste vom Kaiser bezahlte Rhetorikprofessor und später Prinzenerzieher unter Domitian, berichtet von einem Verfahren vor dem Kronrat (consilium principis) Vespasians, dessen Gegenstand Berenike betraf. Quintilian zufolge gehörte sie dem Gremium an und war so selbst an der Entscheidung beteiligt, während er als Anwalt vor diesem plädierte. Leider geht aus seinem Bericht in der Ausbildung des Redners[9] nicht hervor, worum es in diesem Verfahren ging.

Titus, AV Aureus. 73 n. Chr. T CAES IMP VESP CENS, Kopf links / PONTIF TRI POT, Titus sitzend rechts. Cohen 168, Calicó 753.; Quelle CNG coins (http://www.cngcoins.com)".

Trennung aus Staatsräson

Der Historiker Helmut Castritius geht davon aus, dass eine Vermögensangelegenheit verhandelt wurde, da Berenike sehr reich war und in Palästina wertvolle Ländereien besaß, wo die Römer nach dem Jüdischen Aufstand in großem Umfang Grundbesitzer enteignet hatten. Er vertritt zudem die Auffassung, dass Berenike nach 75 eine ähnlich einflussreiche Stellung erreicht hatte wie die kaiserlichen Frauen unter Caligula und Claudius. Allerdings kam es mit dem Herrschaftsantritt des Titus im Juni 79 zu einem auf den ersten Blick erstaunlich erscheinenden Bruch in der engen Beziehung der beiden. Der neue Kaiser verwies seine Geliebte der Stadt, allerdings dem Kaiserbiografen Sueton zufolge nur widerwillig und verständlicherweise auch zum Unwillen der Betroffenen.[10] Berenike blieb allerdings in Italien. Sie kam offenbar kurz vor dem frühen Tod des Titus im Jahr 81 noch einmal nach Rom und verließ danach Italien, um in ihre Heimat zurückzukehren.

Die Gründe für die Zurückweisung Berenikes sind nicht vollständig geklärt. Einige Forscher meinen, dass Vespasian sie noch kurz vor seinem Tod vom Hof entfernen ließ, andere machen einen Richtungsstreit in der flavischen Klientel dafür verantwortlich. Auch die allgemein feindselige Stimmung gegenüber orientalischen Königinnen, die eine Heirat der beiden verhindert haben soll, wurde als Grund in Betracht gezogen. Rechtliche Hindernisse für eine eheliche Verbindung gab es jedenfalls keine, Berenike war von Geburt an römische Bürgerin, da Gaius Iulius Caesar ihrer Familie in den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. für ihre Verdienste im Bürgerkrieg das römische Bürgerrecht verliehen hatte. Möglicherweise wurde sie jedoch dadurch verhindert, dass sie Jüdin war und damit etwaige Kinder ebenfalls Juden gewesen wären. Damit konnten sich Senat und Volk von Rom offenbar so kurz nach dem Jüdischen Aufstand und dem Stadtbrand des Jahres 64, der mit den Christen, nach römischer Auffassung einer jüdischen Sekte, in Verbindung gebracht wurde, nicht anfreunden. Die plebs urbana zeigte, von zwei kynischen Philosophen im Theater aufgehetzt, offen ihre Ablehnung und beeinflusste so nicht zum ersten Mal die Entscheidungen im Kaiserhaus. Wegen der öffentlichen Proteste und aus Gründen der Staatsräson unterließ es Titus, seine Verbindung mit Berenike zu legalisieren, und entfernte sie zudem aus seinem persönlichen Umfeld.

Titus , Neapel Museum

Tod und Nachfolge

Rolle Domitians

Im Sommer 81 zog sich Titus weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, möglicherweise litt er an Depressionen. Er starb nach nur 26 Monaten der Herrschaft im September jenes Jahres. Sueton zufolge erkrankte er auf dem Weg ins Sabinerland, die Heimat seiner Vorfahren, an einem Fieber und starb in derselben Villa wie sein Vater Vespasian zwei Jahre zuvor. Bereits die Zeitgenossen mochten nicht recht an einen natürlichen Tod des Kaisers glauben. Viele sahen in seinem Bruder und Nachfolger Domitian den Verantwortlichen für den frühen Tod des Titus. Auch die meisten späteren antiken Geschichtsschreiber waren dieser Auffassung, so Sueton, Cassius Dio und Aurelius Victor.

Plutarch dagegen berichtet von einer ganz anderen Todesursache. Ihm zufolge hatte Titus gegen den Rat der Ärzte trotz einer schweren Erkrankung die Thermen besucht und starb an der dadurch verschlimmerten Krankheit. Gegen eine Ermordung durch Domitian spricht auch, dass dieser selbst die Trauerrede auf seinen Bruder hielt und diesem posthum viele Ehrungen zukommen ließ. Abschließend lassen sich die Todesumstände des Titus allerdings kaum klären. Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei, dass die wenigsten römischen Kaiser eines natürlichen Todes starben. Es kann also allen Zweifeln zum Trotz nicht ausgeschlossen werden, dass er einem Anschlag zum Opfer fiel.


Posthume Ehrungen

Der neue Kaiser Domitian hielt nicht nur die Trauerrede auf Titus, er ließ ihn auch umgehend vergöttlichen (divinisieren). Zudem baute er eine Reihe von Monumenten, die Titus ehren sollten, und vollendete den von diesem begonnenen Familientempel. Er änderte dessen Namen in Tempel des Vespasian und des Titus und errichtete dort eine Kultstatue seines Bruders. Er prägte auch Gedenkmünzen für Titus und andere verstorbene Familienmitglieder. Viele Zeitgenossen trauerten um den großzügigen Herrscher, den man nach seinem Tod als „Liebe und Wonne der ganzen Menschheit“ (amor ac deliciae generis humani) bezeichnete.

Titus wurde auch später im Gegensatz zu Domitian sehr positiv gesehen und oft zum vorbildlichen Kaiser stilisiert. Allerdings wurde sein Ruf durch den Gegensatz zum Charakter seines Bruders begünstigt, dessen Verfolgungen vom zeitgenössischen Historiker Tacitus in düsteren Farben geschildert wurden. Die Geschichtswissenschaftler sind sich nicht ganz einig, wie gut die Herrschaft denn nun tatsächlich war, in der Literatur war man von der Antike bis ins 19. Jahrhundert davon überzeugt.


Rezeption

Forschermeinungen

Der amerikanische Historiker John Donahue schreibt in seiner Titus-Biografie im DIR-Projekt (vgl. Weblinks), dass Titus vor allem davon profitierte, dass seine Intelligenz und seine Talente von Kind an sorgsam gepflegt und ausgebaut wurden, bei seiner Erziehung am Hof des Claudius angefangen bis hin zu seiner Beteiligung an der Herrschaft seines Vaters. Trotz der zweifellos vorhandenen Tendenz der antiken Autoren, Titus zu heroisieren, beurteilt auch Donahue dessen Regierungshandeln sehr positiv. Neben seinen administrativen und wirtschaftlichen Fähigkeiten war ihm zufolge an Titus vor allem die Stilisierung des Kaisers als autokratische Vaterfigur bedeutsam. Trajan und die Adoptivkaiser sollten später für ihre Selbstdarstellung von seinem Beispiel profitieren.

Ähnlich positiv wurde Titus auch vom bekannten Althistoriker Hermann Bengtson gesehen. Der deutsche Historiker Karl Christ hingegen relativiert in seiner Geschichte der Kaiserzeit diese positive Sicht des Titus etwas. Er betont zwar die Kontinuität seiner Regentschaft zu der Vespasians und den Gegensatz zum als tyrannisch empfundenen Domitian, verweist aber auch auf kritische Stimmen von antiken Autoren wie Ausonius. Dieser bezeichnete Titus als „glücklich durch die Kürze seines Regiments“. Ähnlich äußerte sich Cassius Dio.[11] Christ weist auch darauf hin, dass das Nachleben des Kaisers durch diese Kritiker nicht wesentlich beeinflusst wurde. Seine Milde (clementia) wurde sprichwörtlich und in Kunst und Kultur oft behandelt.


Titus in Kunst, Literatur und Musik

Insbesondere Titus’ Eroberung des Tempels von Jerusalem hat bildende Künstler zu Werken angeregt. Schon im frühen 7. Jh. nutzte ein angelsächsischer Runenmeister dieses Motiv. Auf dem Runenkästchen von Auzon (auch: Franks Casket) – vermutlich ein königliches Schatzkästchen – soll diese Darstellung[12] in Verbindung mit der runischen Inschrift das Kampfesglück und somit den Ruhm des anglischen Kriegerkönigs sichern. Nicolas Poussin schuf 1625 in Rom zu diesem Thema ein repräsentatives Gemälde für Kardinal Francesco Barberini, das seinen Ruf als Historienmaler bestärkte. Er stellt Titus beritten mit einer an das Reiterstandbild Mark Aurels auf dem Kapitol erinnernden Geste dar, mit der er die Plünderung des Tempels durch seine Soldaten noch verhindern will.

Das Monumentalgemälde Zerstörung Jerusalems durch Titus hingegen, das Wilhelm von Kaulbach 1841–1846 im Auftrag König Ludwigs I. von Bayern schuf, erhöht Titus, der in ähnlicher Pose zu Pferd dargestellt ist, zum göttlichen Werkzeug, indem Propheten und Engel die Zerstörung des Tempels als göttliches Strafgericht erscheinen lassen. Das Werk, das in seiner Anlage und in vielen Details zahlreiche antisemitische Klischees der abendländischen Kunst vereint, gehört heute zur Sammlung der Neuen Pinakothek in München.

Titus taucht schon früh als Figur der Oper auf: Antonio Cestis Oper Il Tito nach einem Libretto von Nicolò Beregan wurde 1666 in Venedig uraufgeführt. Die Oper spielt zur Zeit der Eroberung Jerusalems.

Pietro Metastasios Opernlibretto La Clemenza di Tito (1734) wurde von mehr als 40 Opernkomponisten des Barocks und der Klassik vertont. Am bekanntesten ist bis heute die Vertonung von Wolfgang Amadeus Mozart La Clemenza di Tito. Auch andere bekannte Komponisten wie Antonio Caldara, Baldassare Galuppi, Johann Adolf Hasse, Niccolò Jommelli, Ignaz Holzbauer und Christoph Willibald Gluck komponierten Opern zu diesem Text. Titus wird von Metastasio als tugendhafter, der Milde verpflichteter Herrscher dargestellt, der den Fürsten des Absolutismus zum Vorbild dienen sollte. Mit dem historischen Titus hat Metastasios Darstellung allerdings wenig zu tun, vielmehr ist sein Libretto von Pierre Corneilles Drama Cinna beeinflusst, das die Milde des Kaisers Augustus gegenüber dem Verschwörer Gnaeus Cornelius Cinna Magnus darstellte.

2006 sollen die Dreharbeiten zu einer Verfilmung von Titus’ Leben beginnen, siehe Titus (Film).

Personen in Sueton's De vita Caesarum

Julius Caesar - Augustus - Tiberius - Caligula - Claudius - Nero - Galba - Otho - Vitellius - Vespasian - Titus - Domitian

Literatur

Quellen

Die wichtigsten antiken Quellen zu Titus sind die Titusbiografie des Sueton (Suet. Tit., vgl. Weblink), Cassius Dio 66, 17-26 und der Jüdische Krieg des Flavius Josephus (BJ). Auch wenn sich daraus ein recht zuverlässiges Bild seines Lebens rekonstruieren lässt, so gibt es doch einige Lücken, etwa seine Tätigkeit in Britannien betreffend. Insbesondere wird sein Geburtsdatum nicht einheitlich überliefert. Philocalus bezeugt den 30. Dezember 39, Sueton dagegen nennt auch das Jahr 41, widerspricht sich damit aber selbst. Cassius Dio ist in diesem Punkt genauer; er berichtet, Titus sei bei seinem Amtsantritt am 24. Juni 79 39 Jahre, fünf Monate und 25 Tage alt gewesen.


Sekundärliteratur

  • Hermann Bengtson: Die Flavier. Vespasian, Titus und Domitian. Geschichte eines römischen Kaiserhauses. C.H. Beck, München 1979, ISBN 3-406-04018-7.
    (Zusammenfassende Darstellung von einem der bekanntesten deutschen Althistoriker der jüngeren Vergangenheit.)
  • Helmut Castritius: Die flavische Familie. Frauen neben Vespasian, Titus und Domitian. In: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms. C.H. Beck, München 2002. S. 164–186, besonders S. 166–169, ISBN 3-406-49513-3.
    (Überblick über die Rolle der kaiserlichen Frauen in der Zeit der Flavier mit Diskussion der Beziehung zwischen Titus und Berenike.)
  • Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. 4. Auflage. C.H. Beck, München 2002. S. 261ff., ISBN 3-406-36316-4.
    (Komprimierter Überblick mit Quellenauszügen. Standardwerk für die römische Kaiserzeit.)
  • Brian W. Jones: The Emperor Titus. Croom Helm, London 1984, ISBN 0-312-24443-6, ISBN 0-7099-1430-X.
    (Grundlegend für die Beschäftigung mit der Regierungszeit des Titus. Jones hat ebenfalls eine Biografie über Domitian verfasst.)
  • Perry M. Rogers: Titus, Berenice and Mucianus. In: Historia 29 (1980), S. 86–95, ISSN 0018-2311.
  • Ines Stahlmann: Titus. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian. 2. Aufl. C.H. Beck, München 2001, S. 95–98, ISBN 3-406-47288-5. (Sehr knapper, aber gut lesbarer und die wichtigsten Fakten enthaltender Überblick.)

Weblinks

Anmerkungen

  1. ↑ Tacitus, Annalen, 11,1,4.
  2. ↑ Titus 4,1
  3. ↑ Dio 61,30
  4. ↑ Zitiert nach Christ, Römische Kaiserzeit, S. 252.
  5. ↑ Zitiert nach Christ, Römische Kaiserzeit, S. 254.
  6. ↑ Titus, 6.
  7. ↑ Titus, 1.
  8. ↑ Dio 66,19,3.
  9. ↑ Ausbildung des Redners 4,1,19.
  10. ↑ invitus invitam; Sueton, Titus, 7,2.
  11. ↑ Dio 66,18,3.
  12. ↑ Vgl. [1].

Vorgänger Vespasian

Römischer Kaiser

Nachfolger Domitian

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