Julia Soaemias

Denar der Julia Soaemias

Julia Soaemias Bassiana († 11. März 222 in Rom) war die Mutter des römischen Kaisers Elagabal. Sie half ihm, die Herrschaft zu erlangen. Während seiner knapp vierjährigen Regierungszeit (218–222) fiel ihr wegen seines jugendlichen Alters eine Schlüsselrolle zu, die sie jedoch nicht auszufüllen vermochte. Als er sich mit seinen orientalischen Sitten und seiner unbesonnenen Religionspolitik verhasst machte, wurde sie in seinen Untergang hineingezogen und schließlich zusammen mit ihm ermordet.

Herkunft

Julia stammte aus der syrischen Stadt Emesa (heute Homs). Ihre Familie war dort sehr angesehen; es waren wohl Nachkommen des arabischen Fürstengeschlechts, das die Stadt noch im 1. Jahrhundert n. Chr. beherrscht hatte, bevor Emesa in die römische Provinz Syria eingegliedert wurde. In dieser Familie war das Amt des Oberpriesters des Gottes Elagabal erblich, dessen Kult im religiösen Leben der Emesener eine zentrale Rolle spielte. Der Name Soaemias ist arabisch (abgeleitet von suhaim, kleiner Pfeil); er erinnert an den letzten namentlich bekannten Fürsten von Emesa, Sohaemus, der zur Zeit der Kaiser Nero und Vespasian regiert hatte und 70 n. Chr. an der Eroberung und Zerstörung Jerusalems beteiligt war.

Überregionale Bedeutung erlangte die Familie erst durch die wohl 187 geschlossene Ehe der Julia Domna, einer Tochter des Elagabal-Priesters Bassianus, mit dem künftigen Kaiser Septimius Severus (193–211). Als die männliche Nachkommenschaft dieses Kaiserpaars 217 ausstarb, wollte die Schwester der Julia Domna, Julia Maesa, ihren eigenen Nachkommen die Kaiserwürde verschaffen, obwohl sie mit dem Dynastiegründer Septimius Severus nicht blutsverwandt, sondern nur verschwägert war. Julia Maesa war mit dem Konsular Julius Avitus Alexianus († 217/218) verheiratet und hatte zwei Töchter; die ältere war Julia Soaemias, die jüngere Julia Mamaea. Beide hatten Söhne, die für die Herrschaft in Betracht kamen.


Leben als Ehefrau in Rom

Julia Soaemias lebte zur Zeit des Septimius Severus und seines Sohnes und Nachfolgers Caracalla (211–217) mit ihrer Mutter, ihrer Tante und ihrem Gatten in Rom. Sie war mit einem syrischen Landsmann, Sextus Varius Marcellus, verheiratet, der aus Apameia am Orontes stammte. Er gehörte ursprünglich dem Ritterstand an und war ein zuverlässiger Anhänger des Kaisers Caracalla, unter dem er in den Senatorenstand erhoben und schließlich zum Statthalter der Provinz Numidien in Nordafrika gemacht wurde. In diesem Amt ist er 217 gestorben. Julia Soemias hatte von ihm – wie aus seiner Sarkophaginschrift hervorgeht – mindestens zwei Kinder, von denen aber nur eines namentlich bekannt ist, der 204 geborene Varius Avitus Bassianus (Kaiser Elagabal).

Denar des Elagabal

Aufstieg zur Macht

Nachdem Kaiser Caracalla, ein Vetter der Julia Soaemias, 217 ermordet worden war, mussten sich Julia Maesa, Julia Soaemias und der dreizehnjährige Elagabal auf Befehl des neuen, nicht mit der bisherigen Dynastie verwandten Kaisers Macrinus in ihre Heimatstadt Emesa zurückziehen. Dort waren sie begütert und einflussreich. Elagabal übernahm trotz seines jugendlichen Alters das ihm als ältestem männlichen Nachkommen zustehende Oberpriesteramt.

Bald begann die Familie und ihr Umfeld, gegen Macrinus zu agitieren, wobei Elagabal als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben wurde. Da Caracalla bei den Soldaten sehr beliebt gewesen war, Macrinus hingegen wegen seiner unmilitärischen Art und seiner Sparmaßnahmen nicht geschätzt wurde, gelang es, eine in der Nähe von Emesa stationierte Legion, die Legio III Gallica, zum Aufstand zu bewegen. Am 16. Mai 218 wurde Elagabal zum Kaiser ausgerufen. Eine wichtige Rolle spielte dabei ein gewisser Gannys, der zu der seit kurzem verwitweten Julia Soaemias in einem eheähnlichen Verhältnis stand.

Am 8. Juni 218 kam es in der Nähe von Antiocheia zur Entscheidungsschlacht. Gannys befehligte das Heer Elagabals, Julia Maesa und Julia Soaemias waren auf dem Schlachtfeld anwesend. Der zeitgenössische Geschichtsschreiber Cassius Dio berichtet, dass die Truppen des Macrinus zunächst die Oberhand hatten, aber Julia Maesa und Julia Soaemias die bereits fliehenden Soldaten Elagabals zum Standhalten bewegen konnten und so den Sieg ermöglichten. Da es beiden Heeren völlig an kompetenter Führung mangelte, verlief die Schlacht chaotisch; daher ist der Bericht des Cassius Dio, dass das Eingreifen der beiden Frauen von entscheidender Bedeutung war, nicht unglaubwürdig.


Rolle als Mutter des Kaisers

Auf dem Weg nach Rom tötete Elagabal in Nikomedeia Gannys, wohl weil er in ihm einen unerwünschten Vormund sah. Im Sommer 219 traf er in Rom ein. Der junge Kaiser interessierte sich weit mehr für Religion als für Politik und Verwaltung. Julia Maesa besorgte die Regierungsgeschäfte; sie führte den Titel Augusta, den auch Julia Soaemias erhielt. Elagabal machte sich zunehmend verhasst, und der Abscheu der Römer gegen seine orientalischen Sitten färbte auf seine Mutter ab. Anscheinend kursierten Gerüchte über ein ausschweifendes Sexualleben und insgesamt schändliches Verhalten von Julia Soaemias. Die diesbezüglichen Angaben sind aber auffallend vage (im Gegensatz zu den konkreten und detaillierten Vorwürfen gegen Elagabal) und tauchen erst in einer späten Quelle (der Historia Augusta) auf, mehr als ein Jahrhundert nach den Ereignissen.


Untergang

Angesichts der sich abzeichnenden Katastrophe begann Julia Maesa zusammen mit ihrer jüngeren Tochter Julia Mamaea, deren jugendlichen Sohn Severus Alexander als künftigen Nachfolger Elagabals aufzubauen, um die Herrschaft der Dynastie zu sichern. Elagabal reagierte mit Mordanschlägen gegen seinen Vetter. So kam es zum Existenzkampf zwischen den beiden Rivalen und ihren Müttern. Julia Soaemias und ihr Sohn waren isoliert und chancenlos; sie wurden am 11. März 222 von meuternden Soldaten ermordet, die Leichen geschändet. Beide verfielen der damnatio memoriae.


Rezeption

Die Zeitgenossen Cassius Dio und Herodian erwähnen Julia Soaemias in ihren Geschichtswerken nur beiläufig (Dios Bericht ist allerdings unvollständig erhalten). Ausführlichere, aber kaum glaubwürdige Angaben macht erst die weit jüngere Historia Augusta. Sie ist die einzige Quelle, die Julia als Prostituierte bezeichnet, sie (ohne nähere Angaben) „aller“ Schandtaten bezichtigt und ihr einen maßgeblichen Einfluss auf ihren Sohn zuschreibt. Unter anderem berichtet die Historia Augusta von einem Frauensenat, der unter dem Vorsitz Julias auf dem Quirinal getagt und sich mit Fragen der Rangordnung vornehmer Damen befasst habe. Das ist das beliebte literarische Motiv der grotesken und lächerlichen „verkehrten Welt“, hier speziell auf die vom Verfasser tief missbilligte Frauenherrschaft bezogen. Als die frühen Humanisten auf diese Quelle stießen, wurde es üblich, Julia als Hure zu bezeichnen, was bestens zu den gängigen Elagabal-Klischees passte. So urteilten schon im 14. Jahrhundert Benvenuto da Imola und Giovanni Boccaccio, der in seiner Schrift De claris mulieribus Julia ein eigenes Kapitel widmete. Dort schildert er sie als Muster einer schamlosen, hemmungslosen Frau, die aus dem Bordell in den Kaiserpalast kam und in den Senat aufgenommen wurde. Dieses Bild blieb im wesentlichen bis ins 20. Jahrhundert vorherrschend, auch in der wissenschaftlichen Literatur.

Eine nüchterne Bestandsaufnahme kommt hingegen zum Ergebnis, dass Julias Zeitgenossen nichts Konkretes gegen sie vorzubringen wussten. Plausibel ist die Annahme, dass Julia im Gegensatz zu ihrer geschickt agierenden Mutter eher unpolitisch war. Von ihrer äußerst schwierigen und gefährlichen Rolle als Mutter eines verhassten Herrschers ohne verlässliche Machtbasis war sie überfordert, und dies wurde ihr zum Verhängnis.


Literatur

  • Bruno Bleckmann: Die severische Familie und die Soldatenkaiser. In: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms. Beck, München 2002, S. 265–339, insbes. S. 277, 279-291, 293, 297, ISBN 3-406-49513-3.
  • Helmut Halfmann: Zwei syrische Verwandte des severischen Kaiserhauses. In: Chiron 12, 1982, S. 217–235.
  • Erich Kettenhofen: Die syrischen Augustae in der historischen Überlieferung. Bonn 1979, ISBN 3-7749-1466-4.

Weblinks

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